Erinnert sich noch jemand an die Lehman-Pleite? Am 15.September ist es 10 Jahre her. Die Insolvenz dieser großen amerikanischen Bank hat auch die deutsche Bankenlandschaft grundlegend verändert, so ist zum Beispiel die Dresdner Bank verschwunden und auch die Deutsche Bank hat es bisher nicht wieder geschafft, zu alter Größe zu gelangen.
Nun, auch wer sich nicht erinnert, spürt noch die Folgewirkungen der Maßnahmen, die notwendig waren, damit die extrem gefährdeten Banken nicht in großer Anzahl vom Markt gefegt worden wären und es damit zu einem totalen Wirtschaftskollaps gekommen wäre. Eine heute noch anhaltende Folgewirkung ist das sehr niedrige Zinsniveau. Dies hatten die „Fachleute“ nicht prognostiziert, vielmehr wurde fast unisono vor einer hohen Inflation oder gar Hyperinflation gewarnt.
„Fast unisono“ bedeutet, dass es einige wenige Ausnahmen gab, so zum Beispiel die Hamburger Finanzberatung FORAIM, das ist aber ein anderes Thema. Nur so viel dazu: Marktschreierisch mögen wir nicht.
Es gibt allerdings auch in der Finanzbranche Experten, bei deren Aussagen wir genau – aber nicht unkritisch – hinhören. Zum Beispiel, wenn Dr. Hendrik Leber (1), Gründer der erfolgreichen Investmentfondsgesellschaft ACATIS, seine Ansicht zum aktuellen Finanzmarkt äußert:
„Es gibt eine Vielzahl möglicher Krisenauslöser: Es ist offensichtlich, dass jede Zinsnormalisierung eine riesige Krise auslösen wird. Die kann keiner bezahlen. Unternehmen und Staaten würden in großem Stil in die Knie gehen. Wie wäre es mit einer Liquiditätsverknappung als Folge der Notenbankpolitik? Auch das haben wir lange nicht mehr auf dem Radar gehabt. Donald Trumps Handelskrieg könnte ebenfalls noch erhebliche globale Konsequenzen haben, in einem perfekten Sturm sogar zeitgleich mit dem Brexit. Ein Türkei-Default würde in Europas Finanzszene erhebliche Schäden bewirken. Mein sicherster und wahrscheinlichster Tipp ist aber eine langsam beginnende und dann nicht mehr zu stoppende hohe Inflation.“ (2)
„Eine langsam beginnende Inflation“ …
… scheint uns eine wichtige und relevante Aussage. Denn wissen wir alle überhaupt, wie schnell sich eine Inflation entwickelt? Wirklich nennenswerte Preissteigerungsraten hatten wir zuletzt Anfang der 90-er Jahre in Deutschland, was nun wirklich lange her ist. Von 1995 bis Ende 2017 dagegen lag der Mittelwert der Inflationsraten nur bei 1,43% und nur in 5 Jahren betrug sie 2% oder mehr. Die Inflationsrate stieg aber in diesem Zeitraum nie über 2,6% (im Jahr 2008). Übrigens entgegen der Aussagen der Inflationspropheten betrug die Inflationsrate 2009 im ersten Jahr nach der Lehman Pleite nur 0,3%.
Schaut man aber weiter zurück, so wird doch ersichtlich, dass eine höhere Inflationsrate sich tatsächlich eher langsam, aber dann doch recht stark entwickeln kann. So bewegte sich in den 60-er die Inflationsrate eher moderat steigend und schnellte dann nach einer 3-jährigen Normalisierung auf etwa 2% sehr plötzlich in die Höhe. Die so einsetzende Inflation erstreckte sich über die gesamten 70-er Jahre:
Ein eher schnelles heftiges Ansteigen der Inflationsrate gab es von 1986 bis 1992:
Vergangenheitswerte eignen sich natürlich nur sehr bedingt, um daraus Aussagen für die Zukunft abzuleiten. Und es gab – zum Glück – keine nicht mehr zu stoppende Inflation, aber wer die Zahlenreihe genau betrachtet, erkennt, dass Zeiten mit einer eher ruhigen Entwicklung der Inflationsraten uns nicht in Sicherheiten wiegen sollten. Wenn die Preise erst anfangen zu steigen, können sie schnell eine ungewünschte Eigendynamik entwickeln.
Aber noch kurz zurück zu der Aussage „nicht mehr zu stoppende Inflation“:
Wenn man diese Aussage nicht auf „alle Ewigkeit“ beziehen möchte, so trifft diese Aussage mit Einschränkungen auch auf ein so relativ stabiles Land wie Deutschland zu. Denn nach dem plötzlichen Anstieg der Inflationsrate im Jahr 1970 dauerte es gut 14 Jahre bis die Inflation wieder auf ein “Normalmaß“ gesunken ist.
Wir finden es wichtig – auch für jeden Privatanleger -, Betrachtungen wie in diesem Beitrag durchzuführen, denn daraus lassen sich sinnvolle Anlagestrategie ableiten, ohne marktschreierisch (und dann noch zum falschen Zeitpunkt wie 2008/9) von gefährlicher Hyperinflation zu sprechen.
(1) Vita Dr. Hendrik Leber, ACATIS
(2) FONDSprofessionell ONLINE: Zehn Jahre nach Lehman: Hendrik Leber warnt vor „perfektem Sturm“